Ich erlebe in meiner Praxis häufiger Eltern, die sich beklagen, ihr Kind würde einfach nicht zuhören und Anweisungen nicht, nicht vollständig oder nicht richtig befolgen. Gewiss mag das Problem manchmal auch zwischen den Ohren liegen. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich allerdings, etwas genauer hinzuschauen.
Was läuft bei einer AVWS anders?
Bei einer AVWS wird, aus welchen Gründen auch immer, das Gehörte nicht richtig verarbeitet. Manchmal liegt es daran, dass der Sinneseindruck nicht richtig weitergeleitet wird. Manchmal kommt er zwar richtig an, kann dort dann aber nicht oder nicht richtig weiter verarbeitet werden. Das korrekte Adressieren und Verarbeiten ist für den Spracherwerb sowie für das Entschlüssen der Sprache allerdings elementar. Ist beispielsweise der Messwert für die zeitliche Differenzierung auditiver Reize zu hoch, kann das Kind die sogenannten Plosivlaute b-d-g-k-p-t nicht sauber unterscheiden, was zu Schwierigkeiten im Sprachverständnis führen kann. Um dem Unterrichtsgeschehen bei einer, in Schulklassen typischen, Geräuschkulisse von ca. 50-70 db folgen zu können, ist das Richtungshören nötig. Ohne gutes Richtungshören ist es dem Kind nur schwer möglich, die Stimme des Lehrers herauszufiltern. Die Differenzierung der Töne hilft ihrerseits, durch zielsicheres Abgrenzen und Entschlüsseln einzelner Laute, bei der Spracherkennung. Für die Segmentierung der Sprache, und somit für die Rechtschreibung, ist die Differenzierung der Tonlängen wichtig.
Was zu beobachten ist
Wenn es in einem oder mehreren Teilbereichen der auditiven Reizverarbeitung Defizite gibt, können daraus unterschiedliche Probleme resultieren. Folgende Auffälligkeiten können dann beobachtet werden:
- allgemeine Verzögerung der Sprachentwicklung
- einzelne Laute können nicht richtig gebildet werden
- die Sprache ist veraschen
- kurze und lange Laute können nicht unterschieden werden
- ähnlich klingende Laute werden vertauscht
- mündliche Aufgaben können nur schwer umgesetzt werden
- kein Spaß an Singspielen
- kein Spaß an Reimen
- mündliche Anweisungen werden nicht oder nicht vollständig befolgt
Sollte Sie bei einem oder mehreren Punkten direkt an Ihr Kind gedacht haben, lassen Sie das bitte fachkundig abklären. Bei den kinderärztlichen Hörtests fallen betroffene leider nur selten auf, da das Ohr organisch völlig gesund ist. Das Problem liegt in der Weiterverarbeitung der auditiven Reize, nicht in ihrer Aufnahme.
Falsch verstanden
Betroffene Kinder können leider häufig falsch verstanden werden. Sie gelten vielleicht als unaufmerksame Träumer, weil sie mündliche Anweisungen nicht befolgen. Oder als weniger klug, weil sie Schwierigkeiten mit der Sprachentwicklung und der Rechtschreibung haben. Vielleicht aber auch als hyperaktiv, weil die Geräuschkulisse des Unterrichts ungefiltert auf sie einprasselt und sie völlig überreizt. Diese Kinder können Eltern und Lehrer vor große Herausforderungen stellen.
Was dahinter stecken kann
Meiner Erfahrung nach sind wiederkehrende Mittelohrentzündungen die häufigste Ursache für eine AVWS. Und zwar nicht nur die akute Entzündung sondern auch ein daraus resultierender Paukenerguss, der nicht zwingend erkannt werden muss. So oder so hört das Kind dann wie durch Watte, was wiederum zu einer Reizverarmung im Gehirn führt. Leider haben die meisten Kinder ihre Mittelohrentzündungen in einem für die Sprachentwicklung entscheidendem Alter. Angeborene Gehörschäden erlebe ich dagegen selten als Ursache. Vermutlich weil sie sich typischerweise früher und deutlicher zeigen und entsprechend ärztlich behandelt werden.
Individuelle Unterstützung
Sie haben den Verdacht, Ihr Kind könnte unter eine AVWS leiden? Lernen Sie mich unverbindlich in einem ersten Telefonat kennen. Buchen Sie sich gerne ein kostenfreies 15-minütiges telefonisches Erstgespräch und wir besprechen in Ruhe, wie ich Sie und Ihr Kind unterstützen kann. Den Link zum Erstgespräch finden Sie direkt unter diesem Beitrag.