Ich erlebe es in meiner Praxis häufig, das Kinder nicht oder nur sehr schwer das Lesen erlernen. Meiner Erfahrung nach liegt das nicht an mangelnder Intelligenz oder allgemeiner Unlust zu lernen.
Für uns als Erwachsene ist das Lesen im besten Fall automatisiert. Dadurch können wir Texte selbst dann noch problemlos lesen, wenn die Buchstaben durcheinander geraten sind. Lediglich der erste und der letzet Buchstabe eines Wortes müssen an der richtigen Stelle stehen. Spannend, nicht wahr?
Aller Anfang ist schwer
Kinder, die gerade erst mit dem Lesen anfangen, haben es da deutlich schwerer. Die erste Hürde, die sie nehmen müssen, ist die Buchstaben den passenden Lauten zuzuordnen. Für Kinder sind die Buchstaben zunächst verwirrende Hieroglyphen, die es zu entschlüsseln gilt. Sind die passenden Laute den Buchstaben zugeordnet, müssen aus den Buchstabenkombinationen Worte werden. Und aus Worten wiederum ganze Sätze. Da ist schon eine große Portion Hirnschmalz gefragt, um das hinzubekommen. Darüber hinaus braucht es ein möglichst harmonisches Zusammenspiel der Sehfunktionen.
Was ist gutes Sehen?
Meiner Erfahrung nach liegt eine der häufigsten Ursachen für Leseunlust im schlechten Zusammenspiel der Sehfunktionen. Wenn ich in der Praxis anfange, das den Eltern zu erklären höre ich oft, dass das Kind Adleraugen habe. Allerdings ist die Sehschärfe, also die Fähigkeit einen bestimmten Gegenstand auf eine bestimmte Entfernung scharf sehen zu können, nur ein Teil des Seheindrucks. Da dieser Teil typischerweise bei Augenärzten und Optikern überprüft wird, hat sich in unseren Köpfen festgesetzt, Sehschärfe sei gleichbedeutend mit guten Seheindrücken. Dem ist nicht so.
Teamarbeit
Wie bereits erwähnt braucht es das möglichst harmonische Zusammenspiel aller Sehfunktionen: Die Augenmuskeln müssen die Augen in die gewünschte Position bringen. Ist der Blick an auf den Horizont gerichtet, sind die Augen parallel gestellt. Möchte ich lesen, müssen die Muskeln die Augen eindrehen, in eine Schielposition bringen. Gleite ich nun beim Lesen an den Zeilen entlang, müssen die Muskeln die richtige Kraftdosierung finden, damit beide Augen am Text entlang gleiten können. Zeitgleich muss die Augenlinse arbeiten. Diese muss sich in der Nähe klein und dick und in der Ferne groß und flach machen können und damit scharf stellen.
Und wenn nicht?
Funktioniert diese Teamarbeit nicht gut, kann es an verschiedenen Stellen zu schlechten Seheindrücken kommen. Unzureichend koordinierte Augenbewegungen sorgen für sich schon für ein „zerhacktes“ Schriftbild. Darüber hinaus führen sie zu Defiziten in der Einstellung auf verschiedene Distanzen. Also beispielsweise beim Blickwechsel von der Tafel auf das Heft und umgekehrt. Leistungsdefizite bei diesen Blickwechseln wiederum wirken sich hinderlich auf das Scharfstellen der Augenlinse aus.
Nun kommt es natürlich darauf an, wo genau etwas nicht rund läuft. Je nach dem führt es zu einem zerhackten Schriftbild, die Buchstaben tanzen oder es entsteht ein Seheindruck wie durch den Autofokus einer Kamera. Diese Phänomene können durchaus auch gemeinsam auftreten und sind immer dynamisch.
Das kostet Energie
Sicherlich können Sie sich vorstellen, dass ihr Kind damit keinen Spaß am Lesen entwickelt. Und es will Sie auch nicht ärgern oder testen, wenn es einzelne Buchstaben, Wörter oder auch gleich ganze Zeilen auslässt. Es kann das eben einfach nicht richtig erkennen.
Trotzdem können viele betroffene Kinder das Lesen erlernen. Sie tun sich allerdings schwer damit, da sie ihre Defizite kompensieren müssen. Kompensation benötigt immer Konzentration, Zeit, Kraft und Ausdauer. Und durch die Anstrengung kommt es schneller zur Ermüdung.
Quintessenz
Meiner Erfahrung nach sind ungenügende Seheindrücke in einer nicht regelrecht durchlaufenen frühkindlichen Entwicklung begründet. Werden einzelne Entwicklungsschritte nicht vollständig durchlaufen oder sogar übersprungen kann es unter anderem zu Problemen in der Sehverarbeitung kommen. Hier bietet das Wahrnehmungstraining gute Lösungsansätze.
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