In meiner Praxis erlebe ich viele Perfektionisten. Das bringt mein Job einfach mit sich. Perfektionismus hat etwas mit Angst zu tun, außerdem ist meiner Erfahrung nach auch immer ein hoher Eigendruck mit von der Partie. Nicht selten sorgt diese Kombination dafür, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr verstehen.
Was hat Perfektionismus mit Angst zu tun?
Wenn ich immer alles schön perfekt haben und machen will, habe ich auch das Bestreben nach einem gewissen Maß an Kontrolle. Nur wenn ich es selbst gemacht habe, weiß ich, dass es gut und richtig ist. (Vgl. Blogbeitrag „Nur genau oder schon Perfektionist?“ weiter unten in den Blogbeiträgen.) Der eigene Perfektionismus gibt dem Perfektionisten Halt und Sicherheit. Denn wenn 100 % gefordert sind, kann mit 200 % ja nicht viel schief gehen. Mit dieser Einstellung geht allerdings auch ein sehr hoher Eigendruck einher. Schließlich brauche ich deutlich mehr Energie, um meine 200 % zu erreichen.
Leichter durch den Schulalltag?
Nun sollte man ja annehmen, dass perfektionistisch veranlagte Kinder mit ihren 200 % ganz leicht durch den Schulalltag kommen. Dem ist leider nicht so. Zum einen werden sie von der dahinter stehenden Angst blockiert, zum anderen leiden sie unter ihrem Eigendruck. Dieser fordert ihnen auch noch das Letze ab und lässt sie andauernd über ihre Grenzen gehen. Zu allem Überfluss vergleichen sie sich ständig mit ihren Mitschülern, was sie zusätzlich verunsichert und an ihrem Selbstwert nagt.
Ein Beispiel:
Lisa (Namen frei erfunden) besucht die sechste Klasse eines Gymnasiums. In der Grundschule war sie fast immer die beste Schülerin, der Stoff schien ihr nur so zu zufliegen. Mit dem Wechsel aufs Gymnasium fingen die ersten Schwierigkeiten an. Lisa brauchte lange, um in der neuen Schule anzukommen, tat sich schwer, neue Freunde zu finden. Die Veränderung viel ihr schwer. Sie war immer noch eine gute Schülerin, um deren Versetzung sich niemand sorgte. Nur waren da jetzt plötzlich Mitschüler, die besser waren als sie. Lisas bekam Angst, abgehängt zu werden. Schließlich hatten ja auch alle gesagt, dass das Gymnasium nicht einfach werden würde. Und was, wenn sie es vielleicht doch nicht schaffen würde?
Lisa wurde von ihrem Perfektionismus gerettet. Dieser kontrollierte ihre Angst und trieb sie zu Höchstleistungen. Wenn sie es nur schaffen würde, wieder die Klassenbeste zu sein, wäre alles wieder gut. In der Folge lernte Lisa wie besessen. Sie nutzte jede freie Minute, um ihre Nase in die Bücher zu stecken. Dadurch hatte sie immer weniger Zeit, den Kontakt zu den wenigen Freundinnen zu pflegen. Erschwerend hinzu kam, dass aus den Freundinnen alsbald Konkurrentinnen wurden.
Besorgte Eltern
Lisas Eltern waren besorgt. All die Bestärkung, dass sie doch immer noch eine gute Schülerin sei und sie sich keine Sorgen machen müsse verpufften. Ebenso wie die Aufforderung, mal wieder etwas mit den Freundinnen zu unternehmen. Lisa lernte weiter. Inzwischen schrieb sie sich Lernzettel, die sie auf dem Weg von und zur Schule und in den Pausen eifrig durcharbeitete. Doch egal, wie viel sie lernte, in irgend einem Fach gab es immer jemanden, der besser war als sie.
Ein Lösungsansatz
Als Lisa mit ihren Eltern zu mir in die Praxis kam, war sie erschöpft und resigniert. „Ich schaffe es eh nie bis zum Abitur.“ und „Ich bin einfach zu blöd dafür.“ waren Sätze, die häufig über ihre Lippen kamen. Als ich im Anschluss an die Grunduntersuchung erklärte, weshalb Lisa sich selbst so im Weg stand und was die frühkindlichen Reflexe damit zu tun haben, waren alle erleichtert. Endlich gab es eine Erklärung für Lisas merkwürdiges Verhalten. Die Familie entschied sich für eine Wahrnehmungstherapie bei mir.
Das alles ist schon einige Jahre her. Von ihrer Mutter weiß ich: Lisa hat ihr Abitur bestanden und ist zum Studium ins Ausland gezogen. Veränderungen und neue Situationen machen ihr nichts mehr aus.
Quintessenz
Perfektionismus hat viele Gesichter. Meiner Erfahrung nach sind Perfektionisten in ihren Verhaltensmustern gefangen und kommen dort alleine nicht raus. Die Wahrnehmungstherapie bietet hier gute Lösungsansätze.
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